Kennwerte wie g-Wert, Transmission, Reflexion und Absorption bestimmen die Wirksamkeit von Sonnenschutzsystemen. Präzise spektrale Daten sichern Planung, Energieeffizienz und thermischen Komfort.
Für die Bewertung von Sonnenschutzmaßnahmen benötigt der Planer verlässliche und genaue Kennwerte vom Hersteller. Die Kennwerte für Transmission (τ), Reflexion (ρ) und Absorption (α) stehen in einem einfachen Zusammenhang (s.a. Bild 3), es gilt:
τ + ρ + α = 1
Um das Verhalten des Sonnenschutzsystems in den verschiedenen Wellenlängenbereichen der Sonne genauer beurteilen zu können, ist eine Betrachtung der spektralen Daten sinnvoll. Dies wird durch die Indizes „e“ und „v“ gekennzeichnet (e für Energie für den Wellenlängenberiech von 300 nm bis 2500 nm, v für visuell im sichtbaren Bereich von 380 nm bis 780 nm). Zu beachten ist auch die Energieverteilung des Sonnenspektrums über die unterschiedlichen Wellenlängen, denn allein über den sichtbaren Bereich werden nahezu 50 % der Energie übertragen (s. Bild 1). Ein sehr effizienter Sonnenschutz muss daher auch den Tageslichtanteil reduzieren und dennoch einen (für den jeweiligen Zweck) ausreichenden Tageslichtanteil bereitstellen.
Bewertungsverfahren DIN 4108-2
Der Nachweis eines ausreichenden sommerlichen Wärmeschutzes kann nach DIN 4108-2 über eine detaillierte Simulationsrechnung oder das vereinfachte Sonneneintragskennwertverfahren durchgeführt werden, bei dem der rechnerisch ermittelte solare Energieeintrag über transparente Bauteile mit einem festgelegten Grenzwert (Szul) verglichen wird. Ziel ist es sicherzustellen, dass eine kritische Raumtemperatur 10 % der Aufenthaltszeit nicht überschreitet (DIN 4108-2, Tabelle 9).
Bei detaillierten ingenieurmäßigen Rechenverfahren wird nachgewiesen, dass unter den definierten Randbedingungen die zulässigen Übertemperatur-Gradstunden nicht überschritten werden. Für den Nachweis ist die Kenntnis des Gesamtenergiedurchlassgrads (gtotal-Wert) als Kenngröße für die Verglasung in Kombination mit einem Sonnenschutz (Fc-Wert), der Anteil der Fensterflächen an der Gesamtfassade, deren Ausrichtung und Neigungswinkel sowie die wirksame Wärmespeicherfähigkeit der raumumschließenden Bauteile notwendig. Auch die Raumgeometrie und die Art sowie Intensität der Raumlüftung sowie die internen Wärmequellen (Personen, technische Geräte, künstliche Beleuchtung und gebäudetechnische Anlagen wie Heiz- oder Warmwasserleitungen) spielen eine Rolle. Die internen Lasten lassen sich durch bauliche Maßnahmen jedoch kaum beeinflussen.
Auf einen rechnerischen Nachweis kann gemäß DIN 4108-2:2013, Abs. 8.2.2 verzichtet werden, wenn der grundflächenbezogene Fensterflächenanteil
unter den Werten der Tabelle 6 liegt oder
in den nachzuweisenden kritischen Räumen maximal 35 % beträgt und die Fenster in Ost-, Süd- oder Westorientierung Sonnenschutzvorrichtungen mit einem Abminderungsfaktor Fc ≤ 0,30 bei Glas mit g > 0,40 bzw. FC ≤ 0,35 bei Glas mit g ≤ 0,40 ausgestattet sind und die Möglichkeit zur erhöhten Nachtlüftung besteht.
Der Sonnenschutz wird genau durch den Wert gtotal beschrieben, der sich aus dem Produkt des g-Wertes der Verglasung und dem Abminderungsfaktor Fc für den Sonnenschutz ergibt. Der Abminderungsfaktor Fc kann einfach nach Tabelle 7 DIN 4108-2 bestimmt werden. Fc ist keine konstante Größe, sondern abhängig von der verwendeten Verglasung. Deshalb ist es zwingend notwendig, den Fc-Wert nur für Verglasungswerte in Tabelle 7 zu verwenden.
Bei Nichtwohngebäuden und großen Glasflächen sollte der gtotal-Wert genauer ermittelt werden, weil die baulichen Anforderungen komplexer sind. Auch sind die Auswahlkriterien für den verwendeten Sonnenschutz limitiert und bilden nicht immer die mögliche Performance der Produkte ab. Durch die Messung der einzelnen Komponenten aus Glas und Sonnenschutz und einer Berechnung des Gesamtsystems (EN 52022, ISO 15099) ergeben sich exaktere (und damit niedrigere) g-Werte für die Produkte, weil die üblichen Sicherheiten im Tabellenverfahren entfallen. Eine individuellere Betrachtung mit tatsächlichen Produktkennwerten ist daher in fast allen Fällen günstiger.
Umgang mit veralteten Planungsdaten der DIN 4108-2:2013-02
Die klimabedingte Zunahme der Temperaturen und Hitzetage sind in der aktuellen jetzt noch gültigen DIN 4108-2:2013-2 nicht berücksichtigt (Bild 1), so dass die Randbedingungen als historisch und veraltet angenommen werden müssen. Eine grundlegende Überarbeitung ist daher geplant, um die deutlich höheren, klimabedingten Anforderungen zu berücksichtigen. Der DWD rechnet mit einer Verdopplung der heißen Sommertage im Durchschnitt und mit einer extremen Zunahme bei zukünftigen heißen Sommern (26 anstatt fünf Tagen im Mittel zwischen 1988 und 2007). Grundlage sind Prognosen zukünftiger Testreferenzjahre durch den DWD mit Angaben für das Auftreten von Sommertagen (Außenlufttemperatur > 25 °C), heißen Tagen (> 30 °C) und Tropennächten (> 20 °C).
Diese Prognosen ergeben, dass bis 2045 nur noch einige Mittelgebirgsregionen, die Höhenlagen der Alpen und die Küstenregionen in die Klimaregionen A und B fallen (Bild 1 der DIN 1408-2). Der Rest von Deutschland wird dann in die sommerheiße Region C fallen, in der Hitzeperioden länger andauern und häufiger auftreten. Auch wenn es für die Bestandsmodernisierung nach GEG keine Anforderungen gibt (außer bei Erweiterungen von Bestandsgebäuden mit einer Vergrößerung der Nutzfläche > 50 m² bzw. bei Inanspruchnahme der BEG-Förderung für Effizienzhäuser) sollten Neubauten und Renovierungen gleichermaßen für das zukünftige Klima geeignet sein.
Eine Parametersimulation des Ingenieurbüros Hauser ibh mit 10.206 Einzelsimulationen auf Basis der Rechenverfahren der EN 16798-1 für unterschiedliche Fensterflächen und -orientierungen, Uw-Werten, g-Werten, Fc-Werten, Klimadaten und Raumgeometrien ergab eine Empfehlung für einen Fc-Wert von mindestens 0,5. Durch eine wesentlich genauere Erfassung der Wetterdaten im Kilometerraster seitens des DWD (anstatt der bisher relativ groben Klimaregionen A-C) wäre eine ortsbezogene Bestimmung des notwendigen Sonnenschutzes möglich, mit der sich auch die Belastungen durch lokale Wärmeinseln berücksichtigen lassen (Stadtlagen).
Bewertungsverfahren EN ISO 52022-1
Für einfache Sonnenschutz-/Glassysteme bietet die DIN EN ISO 52022-1 ein effektives und flexibles Verfahren zur Bestimmung von gtotal, das auf integralen Daten der Verglasung sowie des Sonnenschutzes basiert und bei dem die Herstellerdaten der Verglasung und des Sonnenschutzes verwendet werden können. Im Vergleich zum aufwendigeren und genaueren Verfahren der EN ISO 52022-3 ergeben sich zwar etwas höhere Werte, die aber für die Ermittlung der Kühllast eines Gebäudes auf der sicheren Seite liegen. Die Berechnung nach EN ISO 52022-1 erfordert die folgenden Eingangskenngrößen:
g: Gesamtenergiedurchlassgrad der Verglasung nach EN 410
Ug: Wärmedurchgangskoeffizient der Verglasung nach EN 410
τeB: Transmissionsgrad der Sonnenschutzeinrichtung im solaren Bereich
ρeB: Reflexionsgrad (innen/außen) des Sonnenschutzes im solaren Bereich
Die Berechnung nach dem vereinfachten Verfahren EN ISO 52022-1 erfolgt für normal einfallende Strahlung. Die Winkelabhängigkeit, also die Abhängigkeit des g-Wertes als Funktion der Sonnenhöhe, wird im Berechnungsverfahren nicht berücksichtigt. Es gestattet jedoch die Ermittlung des Lichttransmissionsgrades.
Bewertungsverfahren nach EN ISO 52022-3
Die EN ISO 52022-3 ermöglicht eine detaillierte Berechnung von Sonnenschutzeinrichtungen in Kombination mit Verglasungen, wobei sich auch komplexe Systeme auf der Grundlage der spektralen Eigenschaften der Verglasung, der Sonnenschutzeinrichtung, der Behangöffnung, der Hinterlüftung und der Höhe der Zwischenräume berechnen lassen. Mit diesen Kennwerten kann der Planer eine verlässliche Abschätzung der thermischen Behaglichkeit und der sommerlichen Überhitzung durchführen. Das Verfahren erfordert aufgrund der komplexen Zusammenhänge eine numerische Simulation.
Für Sonnenschutzeinrichtungen kann auch das Berechnungsverfahren nach ISO 15099 genutzt werden. Das Verfahren unterscheidet im Gegensatz zur EN 52022-3 jedoch nach direkter und diffuser Strahlung. Die Ergebnisse sind noch exakter und auch für winkelselektive, regelbare und ausstellbare Systeme geeignet. Es werden jedoch höhere Anforderungen an die Eingangsdaten gestellt, da diese auch für die diffuse Strahlung bekannt sein müssen (Berücksichtigung der Art des Lichteinfalls und der Lichttransmission – direkt, diffus und hemisphärisch). Maßgebend sind hierbei die Reflexion „ρ“ und die Transmission „τ“, die nach den Lichtverhältnissen (direkt/gerichtet, diffus und hemisphärisch) bzw. den unterschiedlichen Einstrahlwinkeln (Einfalls-, Höhen-, Azimut- und Profilwinkel) differenziert betrachtet werden können. Die Messung der lichttechnischen Eigenschaften erfolgt in der Ulbricht-Kugel.
Bei winkelselektiven Systemen, beispielsweise Lamellenraffstores, hat sich die Messung des spektralen Transmissions- und Reflexionsgrades der Einzellamelle nach EN 14500 bzw. DIN 5036 und die Berechnung des Sonnenschutzes für unterschiedliche Einstrahlungswinkel nach EN 52022-3 Anhang A bewährt. Lichtlenkraster und Streckmodule können als Komplettsystem mit einer großen Ulbricht-Kugel (Integrationskugel) für verschiedene Einstrahlwinkel spektral aufgelöst gemessen werden. Damit kann die thermische Behaglichkeit und Tageslichtlenkung gezielt optimiert werden und deshalb sollten Hersteller von Sonnenschutzsystemen die notwendigen Kenndaten zur Verfügung stellen.
Werden besonders detaillierte Ergebnisse benötigt, beispielsweise für präzise Tageslichtsimulationen, können „BSDF“-Messungen durchgeführt werden. BSDF steht für „Bidirectional Scattering Distribution Function“ und beschreibt die Streu- und Reflexionseigenschaften von Materialien und Oberflächen sehr genau. Durch BSDF-Messungen lassen sich komplexe Simulationen, insbesondere „Ray-Tracing“-Simulationen, durchführen, die äußerst exakte und detaillierte Ergebnisse über das Strahlungsverhalten von Sonnenschutzprodukten liefern. Aufgrund ihres hohen Aufwandes und ihrer Komplexität sind solche Messungen und Simulationen jedoch in der Regel nur für technisch besonders anspruchsvolle Bauvorhaben relevant.
Kalorimetrische Messverfahren
Komplexe Sonnenschutzsysteme lassen sich nicht immer durch Rechenverfahren charakterisieren und dann kommt das kalorimetrische Messverfahren zum Einsatz, bei dem das zu prüfende Bauteil mit einer künstlichen Sonne bestrahlt wird. Die durch das Bauteil transmittierte Energie wird gemessen und aus dem Quotienten der gemessenen transmittierten Energie und der Strahlungsleistung auf das zu bewertende Bauteil ergibt sich der Gesamtenergiedurchlassgrad „g“.
Dieses Verfahren lässt sich auf alle transparenten, transluzenten, lichtlenkenden und streuenden Bauteile anwenden. Darüber hinaus können auch die Oberflächentemperaturen ermittelt werden. Die Kennwerte können als Funktion des Höhenwinkels der Sonne, d.h. für jahreszeitliche und tagesabhängige Situationen, bestimmt werden.
Das ift Rosenheim bietet hierzu zertifizierte Messungen auch nach US Standard NFRC 201-2023 („Procedure for Interim Standard Test Method for Measuring Solar Heat Gain Coefficient of Fenestration Systems“) sowie nach ISO 19467 („Determination of solar heat gain coefficient using solar simulator“) an.